Zu einsam? Zuckerberg will, dass wir KI-Freunde finden


Menschen haben in den USA im Schnitt nicht mal drei Freunde, sagt Meta-Chef Mark Zuckerberg in einem Podcast. Um das aufzustocken, kann er sich sehr gut von Meta entwickelte KI-Chatbots vorstellen. Wieso ich das trotz meiner KI-Begeisterung für eine miese Idee halte, erfahrt Ihr hier.
Erst einmal zur Faktenlage: Die Facebook-Konzernmutter stellte vor wenigen Tagen die mobile Meta-AI-App vor. Somit geht uns die Meta AI nicht nur auf Facebook, WhatsApp und Instagram auf den Senkel, sondern auch separat als eigenständige Handy-App. Zudem verkündete Mark Zuckerberg, dass mittlerweile bereits über eine Milliarde Menschen auf monatlicher Basis Meta AI nutzen.
Um über den Stand des Unternehmens in Sachen KI zu sprechen und fürs LlamaCon-Event zu trommeln, setzte sich Mark Zuckerberg in verschiedene Podcasts, u.a. in den von Dwarkesh Patel, den ich Euch hier einbinde. Der Teil, auf den ich mich beziehen möchte, findet Ihr etwa ab Minute 29:
Zuckerbergs Vision: Wir haben zu wenig Freunde – also suchen wir uns KI-Freunde
Im Podcast sagte Zuckerberg, was ich eingangs erwähnte: Laut Studien hätte der US-Amerikaner im Schnitt weniger als drei Freunde. Allerdings hätte er Kapazität für – auch im Schnitt – 15 Personen. Der Meta-Chef sagt zwar, dass er es wohl auch jederzeit vorziehen würde, diese Lücke mit "echten" Personen zu füllen. Aber gleichzeitig verweist er auch darauf, wie Meta AI heute schon genutzt würde, um sich auf schwierige Gespräche vorzubereiten.
Und nicht falsch verstehen, bitte: Tatsächlich ist so ein KI-Chatbot gut dazu geeignet, beispielsweise einen Gesprächspartner bei einem Job-Interview zu simulieren. KI kann Dir Vorschläge machen, wie Du am besten mit dem zukünftigen Ex Schluss machst, um ihm das Herz möglichst nur teilweise zu brechen usw. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass ich zu wenige wirkliche Freunde habe, dann wäre meine erste Idee ganz sicher nicht, mir eine KI als Ersatz zu suchen, nur aus dem schlichten Grund, dass sie einfach ständig verfügbar ist. Wieso ich das für bedenklich halte, erkläre ich Euch jetzt.
Eine falsche Lösung für ein echtes Problem
Es ist ja nun mal tatsächlich so: Spätestens seit Corona beobachten wir, dass Einsamkeit ein wirklich wachsendes Problem darstellt. Es ist so ein großes Problem, dass die deutsche Regierung 2024 erstmals ein Einsamkeitsbarometer vorstellte, einschließlich einer Strategie, wie man gegen Einsamkeit vorgehen möchte. Mittlerweile wird auch von einer regelrechten Pandemie der Einsamkeit gesprochen. Also ja, das Problem ist tatsächlich real!
Aber ich halte die Lösung, KI-Freunde gegen die Einsamkeit zu nutzen, für eine falsche. KI ist super als Sparringspartner, super gegen die Langeweile und kann in Expertenhänden auch dazu führen, uns bei Therapien usw. zu helfen.
- Lest dazu unbedingt meinen Artikel: Mein bester Freund, die KI
Meine Hauptbedenken sind in dieser Sache zweierlei:
- Will ich einem privaten, an Gewinn ausgerichteten Unternehmen wie Meta meine Daten und meine Freundschaft schenken?
- Werde ich nicht nur noch einsamer, wenn ich KI-Freunde anstelle echter Freunde um mich herum schare?
Problem 1: Meta selbst
Zuckerberg ist stolz wie Oskar, dass schon über eine Milliarde Menschen auf monatlicher Basis Meta AI nutzen. Gleichzeitig lesen wir im Wall Street Journal, dass genau diese Meta AI bis vor kurzem (Meta will offenbar nachgebessert haben) selbst in Chats mit Minderjährigen anzügliche, sexualisierte Inhalte von sich gab. Außerdem kocht derzeit die Debatte hoch, wie Meta seine KI-Modelle trainiert. Wir müssen aktiv widersprechen, wenn wir nicht wollen, dass unsere Postings bei Facebook in die Trainingsmasse einfließen.
Und jetzt stellt Euch Euren besten Freund vor, oder irgendjemanden, der für Euch ein echter Freund ist: Ihr verratet ihm, was wirklich los ist mit Euch. Wo drückt der finanzielle Schuh? Wieso läuft es mit dem Partner oder der Partnerin gerade so schwierig? Wie schlimm ist es um Eure Gesundheit bestellt? Alles Sachen, bei denen ich mir doch gründlich überlege, mit wem ich darüber rede. Und Milliardenkonzerne kommen auf dieser Liste echt nicht vor! Schon gar nicht Konzerne, von denen ich befürchten muss, dass sie erst ins Training einer KI einfließen – und später dann vielleicht auch noch verkauft werden. Schließlich ist Facebook ein Produkt, das sich über Werbung finanziert.
Wem gehören Eure Gedanken, wenn Ihr sie auf Meta teilt? Ich würde tippen, nicht mehr Euch allein!
Problem 2: Ich selbst
Ja, natürlich bin ich auch Teil des Problems, wenn ich mich drauf einlasse. Wie soll ich denn echte Freunde finden, wenn ich mehr und mehr meiner Zeit mit virtuellen Freunden verbringe, die nicht echt existieren? Ich knabbere doch selbst Stunden von meinem Zeitfenster weg, in welchem ich Menschen kennenlernen könnte.
Außerdem – und da bin ich auch wieder bei dem Teil des Problems, der mit Wirtschaftsunternehmen zusammenhängt – will Meta doch Geld verdienen mit mir. Meta ist drauf angewiesen, dass ich dem Konzern meine Zeit und Aufmerksamkeit schenke. Drei Milliarden Nutzer:innen bringen Meta schließlich nichts, wenn sie nur inaktive Karteileichen sind.
Also baut Meta seine Plattformen wie Instagram oder Facebook so, dass wir sie möglichst lange und möglichst täglich nutzen. Wir haben oft genug über Suchtrisiken bei Social Media gesprochen und über Doom-Scrolling usw. Dazu kommt alles, was ich bereits in meinem weiter oben verlinkten Artikel über KI-Freunde ansprach: Eine KI kann Dir schlimmstenfalls wirklich miese oder sogar gefährliche Ratschläge geben. Eine KI redet Dir so sehr nach dem Mund, dass Du es vielleicht komplett verlernst, dass Widerrede, Streits und das gemeinsame Feilen an Freundschaft einen unersetzbaren Teil genau dieser Freundschaft darstellen.
Nicht vergessen: Eine KI mag klug sein, aber Freundschaft lebt von Gegenseitigkeit, Verletzlichkeit und auch Unvollkommenheit!
Was KI stattdessen leisten sollte
Meta AI ist ein Werkzeug, das Meta hilft, Euch ans Unternehmen zu binden. Aber eine wirklich nützliche KI sollte doch für Euch da sein und Euch bei Eurem kleinen Freunde-Problem behilflich sein, oder nicht? Ich finde, dass eine künstliche Intelligenz, die vermutlich schon bald die menschliche Intelligenz übersteigt, die perfekte Brücke sein sollte. Eine Brücke, die uns ermöglicht, dass wir leichter neue Freunde finden, statt potenzielle Freunde durch einen seelenlosen Daten-Klaus zu ersetzen.
Ich hab echt ein solides Grundvertrauen in KI und darin, dass sie künftig Welthunger, Klimakrise und ähnliche Kaliber besiegen hilft. Also muss sie doch dann auch bestens geeignet zu sein, uns aus unserer Einsamkeit zu helfen, oder? Ich hab keine Ahnung, wie das funktionieren könnte. Aber KI sollte uns vielleicht Tools liefern, die uns viel besser mit anderen einsamen Menschen vernetzen. Sie könnte Dating-Apps bauen, bei denen es auf den Menschen ankommt, nicht auf die Einnahmen der Premium-Kund:innen.
Uns sie könnte die Einsamen sichtbar machen, statt sie hinter Chatbots zu verstecken. Wenn KI doch so klug ist, wie sie tut – dann soll sie mich doch nicht in einem Chat binden, sondern mir sagen, wo ich heute hingehen kann, um echte Menschen zu treffen.
Mein kleines Fazit
Ich möchte nicht abstreiten, dass KI uns auch in dieser Problemstellung behilflich sein kann. Aber ich bin halt skeptisch, ob ausgerechnet Meta mir den perfekten Ersatz für nicht vorhandene echte Freunde zusammendengelt. Deswegen möchte ich Mark Zuckerberg mit seinem subjektiven Blickwinkel entschieden widersprechen. Freundschaft ist mehr als das, was uns Zuckerberg da andrehen will. Freundschaft ist spontan, aber auch mal schwierig. Freundschaft ist manchmal ein Widerspruch, meistens aber ein Trostspender und ein Rettungsboot. Freundschaft ist auch körperliche Präsenz und die Summe der Erlebnisse, die man miteinander teilt.
Und was ist das, was uns Meta bieten möchte? Was Zuckerberg als Innovation verkauft, ist doch in Wahrheit eher eine Kapitulation. Die Aufgabe der Hoffnung, dass wir als Menschen füreinander da sein können. So schön das freundliche Feedback einer KI auch sein mag: Wir sind uns doch hoffentlich einig, dass es nicht den Moment ersetzen kann, in der uns ein Freund tröstend in den Arm nimmt. Oder den Moment, in welchem wir uns vor Lachen die Bäuche halten müssen.
Wir können und wir werden KI in einer Million Situationen benötigen und das ist echt okay so für mich. Aber echte Freundschaft sollte man nicht simulieren, oder sie gar komplett outsourcen. Ich bin mir sicher: Ich brauche keinen KI-Kumpel. Allenfalls brauchen wir KI, die uns dabei hilft, dass wir wieder lernen, wie wir Freunde werden.
Du hast in allem recht und das auch sehr gut dargelegt. Ich komme übrigens seit Jahren wunderbar ganz ohne Facebook und Konsorten aus.