Der Smartphone-Markt ist inzwischen über zehn Jahre alt. Seine Produkte haben unseren Alltag neu geformt und Geschäftsmodelle ermöglicht. Inzwischen zeichnet sich ab, dass ihre Hersteller am Ende der Fahnenstange angelangt sind. Die noch immer jährlich erscheinenden Geräte bieten immer weniger neue Kaufanreize. Daher wäre mein erster Wunsch an die Industrie:

1. Macht weniger neue Hardware

Es gibt hundert gute Gründe, warum Hersteller die Zahl der produzierten Geräte senken sollten. Denn auf einem gesättigten Markt sinkt die Nachfrage nach neuen Produkten ohnehin. Es ist also nicht nötig, dass ein Dutzend Hersteller jeweils ein Dutzend neuer Geräte auf den Markt bringen und wir so jede Woche mehrere neue Modelle in den Ladenregalen sehen.

Vor allem die Neugeräte in den unteren Preissegmenten haben oft weniger zu bieten als Vorjahres-Modelle. Jene könnte der Hersteller einfach mehrere Jahre in Folge zum Kauf anbieten und in der Werbung um das neue Gerät gleich darauf hinweisen. Hersteller wie Samsung oder Apple bieten bereits ihre älteren Modelle noch zwei Jahre später als Neuware an, vermarkten dies jedoch nicht gebührend.

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Die Masse an S10-Varianten macht Kaufentscheidungen unnötig kompliziert. / © NextPit Bildquelle: NextPit

Hinzu kommt zumindest bei Samsung, dass dieses Angebot nicht Teil der Kernstrategie ist; denn parallel werden etliche unterschiedliche Modelle der A- und J-Serien zu geringen Startpreisen angeboten. Doch warum wurden diese Geräte komplett neu hergestellt, wenn der Gebrauchtmarkt noch gefüllt war mit gleichermaßen hochwertigen Galaxy-S-Modellen der Vorjahre? Und wäre es nicht gutes Marketing, wenn die Kunden immer wieder auf der Straße Samsung-Geräte sehen, die trotz ihres Alters von drei oder mehr Jahren noch hervorragend aussehen und funktionieren?

Um aus dem wachsenden Gebraucht-Markt Profit zu schlagen, könnten die Hersteller ihre Zurückkauf-Angebote ausbauen. Samsung und Apple bieten den so genannten Trade-in bereits an. Bestellt Ihr ein neues Gerät, könnt Ihr Euer altes zu einem Partner schicken, schätzen lassen und dessen Wert vom Kaufpreis des neuen Gerätes abziehen lassen. Bei manchen Providern wie Congstar habt Ihr dann die Möglichkeit, solche zurückgenommenen Geräte als Refurbished-Modelle anstelle eines neuen Smartphones zu kaufen. Also kann sich das Geschäft für Smartphone-Hersteller oder Provider lohnen.

Aus dieser Entscheidung ergäben sich mehrere positive Effekte für das Image eines Tech-Unternehmens:

  • Lange benutzte Geräte zeugen von guter Verarbeitung
  • Das Unternehmen reduziert den Ressourcenverbrauch
  • Kein Gerät dieser Marke ist bloß „gut genug“, alle sind oder waren ihrerzeit High-End
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Geräte wie das Note 8 lassen sich locker vier Jahre lang nutzen. Wir brauchen mehr solcher Smartphones und weniger mittelmäßigen Müll! / © NextPit Bildquelle: NextPit

Das Ressourcen-Argument betrifft nicht nur Herstellung sondern auch Entsorgung. In Deutschland etwa kann die Recycling-Wirtschaft nicht mit dem Tempo des Elektronik-Konsums mithalten. Unsere Recycling-Quote wird dieses Jahr die angepeilte 65-Prozent-Marke deutlich verfehlen.

Hersteller werden jedoch diesen Wunsch nicht auf Grundlage eines Magazin-Beitrags befolgen. Hersteller produzieren die Geräte, die voraussichtlich gekauft werden. Wollt Ihr also tatsächlich etwas ändern, müsst Ihr mit Eurem Portemonnaie abstimmen. Ein paar Tipps dazu habe ich im separaten Artikel aufbereitet.

1.1 Bringt Euer Namensschema in Ordnung

Diesen Wunsch hat mir Kollege David empfohlen. Da es inzwischen weit über 20.000 verschiedene Android-Geräte gibt, kommt der verfügbare Namensraum langsam an seine Grenzen. Namen nach dem Schema PHONE 8.1T Pro Max Plus McLaren Edition gehören zur Tagesordnung und helfen dem Interessenten kein bisschen. Welches Gerät ist denn jetzt das bessere?

Das alte Schema Gut – Besser – Am Besten ist bei vielen Herstellern bereits der Fast Fashion im Technologie-Sektor zum Opfer gefallen. Attribute wie Pro, lite, mini, Max, Plus werden vermeintlich bekannten Modellbezeichnungen angehängt. Andere Geräte werden unter neuem Namen einfach neu vermarktet; siehe Huawei Nova 5T und Honor 20.

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Fairphone glänzt unter anderem mit einer simplen Ein-Geräte-Politik; kein „Pro“, kein „XL“, kein Unfug. / © NextPit Bildquelle: nexpit

Gute Beispiele für funktionierende Namensschemen finden sich beim Apple Macbook, denn da gibt es nur „early“ oder „late“ + Jahreszahl oder bei der Linux-Distribution Ubuntu: Ratet einmal, wann Version 19.10 erschien! Mein Wunsch an Samsung wäre, 2020 nur drei Geräte neu zu vermarkten: 

  • Galaxy S20 (für das Jahr, seht Ihr?)
  • Galaxy Note20 (dito)
  • Galaxy Tab20 („S“ ist überflüssig, denn das Tab A wird abgeschafft)

Das mittlere Preissegment kann Samsung mit eigens vermarkteten Refurbished-Modellen oder neuen Modellen älterer Jahrgänge abdecken.

2. Gebt uns mehr nachhaltige Geräte-Optionen

Wenn wir ein Smartphone kaufen, aber keinen großen ökologischen Fußabdruck dabei hinterlassen wollen, bleiben uns derzeit drei Optionen: Ein Fairphone, ein Gerät von Shiftphones oder ein gebrauchtes Smartphone; möglicherweise vom Reseller. Das könnte besser sein.

Jeder Hersteller sollte wenigstens eine CO2-Neutrale Variante seines Top-Gerätes vorstellen, oder im Shop einen CO2-Ausgleich anbieten. Nach dem Öko-Fußabdruck folgt der soziale Aspekt: Manche Metalle in den Geräten werden in Gebieten geschürft, die noch nie ein Inspektor besichtig hat. In unserem Interview mit Fairphone kam Trauriges zutage:

Möglicherweise zögern Hersteller bei diesem Schritt, weil er sie unweigerlich entlarven würde: Wenn wir ein faires Gerät vermarkten, wie rechtfertigen wir dann die übrigen Geräte? Vielleicht sollten sie dann ihre komplette Strategie hinterfragen und sich auf den nächsten großen Schritt vorbereiten. Er wäre notwendig.

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Auch Shiftphones bemüht sich um nachhaltiges Design und langfristige Wartung. / © NextPit Bildquelle: NextPit by Irina Efremova

3. Bringt endlich die eSIM richtig auf den Markt

Als 2016 die Mobilfunkkonzerne dieser Welt den eSIM-Standard verabschiedeten, war die Vorfreude groß. Leider existiert der Nachfolger der Plastik-SIM-Karte bis heute fast ausschließlich auf Papier. Deutsche Provider behandeln sie stiefmütterlich und verlangen wie für so vieles unsinnige Gebühren beim Umstieg. Smartphone-Hersteller hingegen ignorieren sie fast vollends; nur wenige Gerätefamilien (iPhone, iPad, Pixel und Moto Razr (2019)) nutzen sie.

Bei Wearables ist sie stärker verbreitet, kommt da jedoch mit einem SIM-Lock daher (siehe V-SIM von Vodafone), der die Grundidee der eSIM als programmierbare Alternative zur Plastikkarte unterminiert. Details zum Thema im separaten Artikel:

Mit der eSIM könnte die Abwicklung eines Mobilfunkvertrages endlich komplett elektronisch erfolgen. Der Umweg über den Briefkasten würde dann endlich entfallen. In der Theorie sollten sich eSIM-Profile so einfach installieren lassen wie eine App. Beim iPad ist dies schon der Fall. Doch in der Praxis scheitert es an der Trägheit etlicher deutscher Mobilfunk-Anbieter.

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5G könnte die Agrar-Industrie revolutionieren. / © Suwin / Shutterstock Bildquelle: Suwin / Shutterstock

4. Baut endlich das 5G-Netz aus, und zwar zackig!

5G könnte der heilige Gral der Digitalisierung für Deutschland werden. Der ganze Ärger um WLAN, LTE, alte Funkleitungen, proprietäre Drahtlos-Verbindungen aber auch tonnenweise Kupferdraht zwischen Sensoren und Aktoren (insbesondere in Industrie und Verkehr) könnte sofort enden, wenn wir da schnell vorankämen. Wer welche Frequenzen nutzt, ist endlich klar. Wer jedoch die Antennen liefert und wo die ersten stehen sollen, hängt vom Ausgang des Tauziehens zwischen Ministerien, Industrie und Providern ab.

Doch werden wir anhand von 5G schnell sehen, in welchen Ländern der Ausbau schnell geklappt hat. Denn kommende Roboter-Generationen werden maßgeblich von der neuen Drahtlos-Kommunikation abhängen und in Form von automatisiertem Verkehr oder Drohnen-Lieferung sichtbar unser Leben verändern.

5. Mobiles Internet muss deutlich preiswerter werden

In etlichen Ländern ist mobiles Internet schon jetzt deutlich preiswerter. Zugegeben: Die Entwicklung geht in die richtige Richtung. Ich zahle derzeit 9,99 Euro pro Monat für zehn GByte LTE. 2014 zahlte ich noch rund 20 Euro für 300 MByte. Doch eigentlich muss die Drosselung komplett weg; oder wenigstens nach dem O2-Free-Modell normal werden. Eine Limitierung auf wenige Mbit/s ist für viele Dienste akzeptabel.

Spätestens im 5G-Zeitalter darf aber nicht die plötzliche Drosselung auf ISDN-(wer kennt es noch?)-Geschwindigkeit dazu führen, dass wir den Feed unserer heimischen Sicherheitskamera nicht mehr unterwegs abrufen können. Je wichtigere Teile unseres Lebens von einer funktionstüchtigen Internetleitung abhängig sind, desto stärker sollte die Gesetzgebung auch den Verbraucher vor der Macht der Provider schützen und entsprechend regulierend eingreifen.

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Externe Kameras wären doch eine großartige Idee! / © NextPit Bildquelle: NextPit

6. Baut ein Smartphone ohne Kamera – aber verlangt dafür nicht extra

Der zweite Wunsch-Tipp von Kollege David richtet sich an Minimalisten. Er wünscht sich ein Smartphone ohne Kamera. Ein prüfender Blick in die Google-Richtlinien für Android bestätigt: Smartphone-Hersteller könnten ein Kamera-loses Smartphone herstellen und dürften es mit Google-Diensten bespielen. Um dann trotzdem QR-Codes zu scannen oder Video-Ident zu machen, könnten Nutzer ad-hoc eine Kamera an den Typ-C-Port anschließen. Da er drehbar ist, könnte er sowohl als Haupt- als auch als Selfie-Kamera dienen. Dank dieser Modularität könntet Ihr künftig Kamera und Smartphone separat von einander aufrüsten. Eigentlich ein ziemlich genialer Wunsch von David, oder?

Was ist Euer Wunsch?

Jetzt habt Ihr unsere Wünsche an die Tech- und Smartphone-Industrie gelesen. Welchen habt Ihr? Hinterlasst gerne einen Kommentar oder kommentiert die Wünsche der anderen Leser!