Noch vor wenigen Monaten klang es bei Volkswagen nach Krise. Die Rede war von drohenden Werksschließungen. Man zeigte auf die Politik: zu wenig Ladeinfrastruktur, gestrichene Kaufprämien. Der Schuldige schien gefunden – und trotzdem schrieb VW im vergangenen Jahr über 12 Milliarden Euro Gewinn. Die Botschaft ist klar: Das Elektroauto wird nicht nur profitabel, es wird strategisch – und langsam auch Mainstream. Aktuell sind zwar nur rund drei Prozent aller Pkw in Deutschland rein elektrisch unterwegs, doch der Trend ist gesetzt. Und Volkswagen stellt sich neu auf.
Rückkehr zur Identität: VW denkt bei E-Autos um
Was in der jüngsten Betriebsversammlung in Wolfsburg geschah, war alles andere als das übliche Ritual aus Durchhalteparolen und Applaus auf Bestellung. Es ging um Substanzielles – um Zukunft, Arbeitsplätze, die Markenidentität. Und dann kam dieser Satz, unscheinbar formuliert, aber schwergewichtig: „Die ID-Namen sollen bei VW verschwinden.“ Gesagt von Thomas Schäfer, Markenchef bei Volkswagen.
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Ein Satz, der nicht nur intern für tosenden Applaus gesorgt haben soll, sondern auch außenpolitisch für Aufsehen sorgt – im komplexen Kosmos der Automobilmarken. Es war das Eingeständnis, dass die kühl-futuristischen Bezeichnungen – ID.3, ID.4, ID.7 – nie richtig gezündet haben. Zu abstrakt. Zu wenig emotional aufgeladen. Zu sehr Entwicklungsbüro, zu wenig Fahrvergnügen.
Die nüchterne Logik des Ingenieurdenkens trifft auf eine neue Markenrealität: Kunden kaufen keine Produkte, sie kaufen Gefühle. Staubsauger heißen mitunter auch futuristisch – ein Auto aber will verstanden werden. Und geliebt.
Gescheitertes Experiment VW ID
Was nun geschieht, ist keine einfache Namensänderung. Es ist eine Rückbesinnung. Eine Kurskorrektur mit Symbolkraft. Das Projekt „ID“ – einst gestartet unter Herbert Diess mit dem ID.3 als visionärem Leuchtturm – wird diskret, aber entschlossen zurück gebaut. Der neue, einst als ID.2 angekündigte Kompaktstromer? Bekommt einen alten, vertrauten Namen zurück. Welchen genau, will VW im September auf der IAA in München verraten.
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Helena Wisbert, Professorin für Automobilwirtschaft in Wolfsburg, fasst das Dilemma präzise zusammen: „Die ID-Reihe war von der Namensgebung nicht ganz so glücklich.“ Der Versuch, durch neue Bezeichnungen eine neue Ära zu markieren, sei gescheitert – Stammkunden fühlten sich entfremdet, Neukunden nicht abgeholt. „VW braucht keine fancy Namen“, sagt sie der WAZ.
Auch Stefan Reindl vom Institut für Automobilwirtschaft sieht in der ID-Strategie ein gut gemeintes, aber fehlgeleitetes Experiment. „Kürzel wie ID.4 werden eher wie interne Entwicklungsbezeichnungen wahrgenommen.“ Der emotionale Link zu jahrzehntelang gepflegten Markennamen sei schlicht gekappt worden. „Elektromobilität braucht keine neuen Namen, sondern starke Marken.“
Die Zukunft fährt wieder vertraut
Was also tun, wenn der technologische Wandel an Fahrt aufnimmt, aber die emotionale Anschlussfähigkeit verloren geht? Man nennt die Dinge wieder beim Namen. Golf. Polo. Passat. Namen, die in deutschen Garagen mehr bedeuten als bloße Typenbezeichnungen. Sie sind Projektionsflächen. Generationenverträge. Heimat.
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Und so leistet Volkswagen etwas, das man in Zeiten digitaler Veränderung selten sieht: Es macht einen Schritt zurück, um zwei nach vorn zu gehen. Die Zeiten, in denen technische Brillanz allein für Markentreue sorgte, sind vorbei. Vertrauen, Wiedererkennbarkeit, Markencharisma – das ist der neue Strom. Das Elektroauto wird damit nicht nur alltagstauglich, sondern auch anschlussfähig. Die ID-Bezeichnungen? Sie waren ein Versuch. Und vielleicht war genau das ihr Problem: Sie klangen nie nach Aufbruch, sondern nach Konzeptphase. Jetzt, da die Zukunft real wird, braucht sie wieder einen Namen – einen, den wir kennen.
"…und trotzdem schrieb VW im vergangenen Jahr über 12 Milliarden Euro Gewinn."
Das ist auch dringend nötig. Gerade wenn mehr E-Autos verkauft werden, schmilzt der Gewinn dahin. Mit Verbrenner verdient man (noch) mehr. Und gerade im Sektor E-Autos stehen enorme Investitionen an.
In den 3 Jahren davor lag der Gewinn um ca. 30% höher. Kann man erwähnen, muss es aber nicht. So passt es offensichtlich besser ins (eigene) Bild.
"…das übliche Ritual aus Durchhalteparolen und Applaus auf Bestellung."
Das mag in einem Parallel-Universum so sein – in diesem jedoch nicht!
In den Jahren 2024 und 2025 waren Betriebsversammlungen in Wolfsburg von massivem Unmut geprägt. Als das Management drastische Sparmaßnahmen und die mögliche Schließung von Werken ankündigte, gab es laut Berichten von Teilnehmern und Medien ein Pfeifkonzert und laute Buhrufe.
Wenn man ehrlich ist, so ist das etwas anderes als "Durchhalteparolen" und "Applaus auf Bestellung". Aber – warum sollte man ehrlich sein? So passt es doch viel besser ins (eigene) Bild.
😉