Auslöser für die neue Offenheit ist ein Schreiben von Bundeskanzler Friedrich Merz an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Darin fordert der Kanzler, bei der Revision der Flottengrenzwerte auch hocheffiziente Verbrenner einzubeziehen. Laut Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas kam das in Brüssel gut an: Der Brief sei „sehr positiv aufgenommen“ worden.
Diesel und Benziner nicht verteufeln: „Offen für alle Technologien“
Tzitzikostas betont im Handelsblatt-Gespräch, die EU müsse alle technologischen Entwicklungen berücksichtigen – einschließlich E-Fuels, Biokraftstoffen und weiteren emissionsarmen Alternativen. Ziel sei ein wirtschaftlich tragfähiger und sozial fairer Weg zur Klimaneutralität. Zwei weitere Kommissionsmitglieder bestätigten, dass klassische Verbrenner weiter gebaut werden dürfen, sofern sie mit CO₂-armen Kraftstoffen betrieben werden.
Die Kehrtwende kommt nicht aus dem Nichts. Die europäische und besonders die deutsche Autoindustrie steckt unter Druck: teure Transformation, wachsende Konkurrenz aus China, schwache Absatzmärkte. Viele Jobs hängen am Verbrenner, und mehrere EU-Staaten drängen auf mehr Flexibilität. Auch Vizekanzler Lars Klingbeil hatte sich zuletzt offen für Mischlösungen aus Elektro- und Verbrennertechnologie gezeigt.
Tzitzikostas mahnt, dass man zwar am Wechsel zur E-Mobilität festhalten wolle, aber nicht um jeden Preis. Man müsse „alle jüngsten geopolitischen Entwicklungen berücksichtigen“, so der griechische Kommissar. Und weiter: „Wir müssen darauf achten, unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden und gleichzeitig der europäischen Industrie helfen, ihren technologischen Vorsprung zu halten.“
Neues „Autopaket“ verzögert sich leicht
Die EU-Kommission plant, die überarbeiteten Regeln im Rahmen eines großen „Autopakets“ vorzustellen. Darin sollen sowohl die CO₂-Flottengrenzwerte angepasst als auch neue Anreize für Elektroautos in Unternehmensflotten geschaffen werden. Eigentlich sollte das Paket am 10. Dezember kommen, doch laut Tzitzikostas könnte sich die Veröffentlichung noch um ein paar Wochen verzögern.
Für die Autoindustrie – und letztlich auch für Euch als Fahrer – sieht es so aus, als würde es 2035 keinen harten Schnitt geben. Verbrenner bleiben im Spiel, wenn auch mit klimafreundlichen Kraftstoffen. Die EU sucht den Mittelweg: Klimaziele erreichen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu opfern. Welche Details am Ende wirklich im Autopaket landen, entscheidet sich in den kommenden Wochen.
Im Jahr 2023 hatte die EU beschlossen, dass alle Neuwagen ab 2035 kein CO₂ mehr ausstoßen dürfen. Das wäre in der gesamten EU gleichbedeutend mit einem Aus für neue Autos mit klassischem Verbrennungsmotor. Gegen diese Pläne hatte sich in den vergangenen Monaten aber immer stärkerer Widerstand breitgemacht.
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