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Das S-Voice-Interface auf der Galaxy Gear. / © NextPit Image source: NextPit

Der Klotz am Arm

Ich wusste es, als ich das Ding zum ersten Mal gesehen habe. Samsung hatte extra eine PR-Managerin und den Designer der Uhr aus Korea nach Berlin fliegen lassen, um das Schmuckstück angemessen zu präsentieren. Das stand sie also neben der PowerPoint-Projektion, lächelte schüchtern und schob den linken Ärmel hoch, an dem die Gear zum Vorschein kam. Vermutet hatte ich es schon, weil die Beule unter dem Stoff einfach unübersehbar war. Es hat eine gewisse Tragik, dass ausgerechnet die Personen, die an der Entwicklung beteiligt waren, exemplarisch aufzeigen, warum die Gear floppen wird: Für normale Menschen ist sie schlicht zu groß und zu klobig. 

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Ganz schön mächtig: Die Galaxy Gear hat eine Kamera im Armband integriert. / © NextPit Image source: NextPit

Auch das Design finde ich total misslungen, weil es die protzige Größe noch mal unterstreicht. Ein massiver Metallrahmen, der mit gut sichtbaren Schrauben am Gehäuse fixiert ist, umgibt das für eine Uhr gewaltige Display (1,63 Zoll, AMOLED, 320  x 320 Pixel), festgehalten wird er von einem dicken Kunststoffband, das wiederrum mit Hilfe einer Metallklammer am Handgelenk festgezurrt wird. In sechs unterschiedlichen Farbkombinationen wird es die Gear geben (von schwarz bis „wild orange“).

Die Begleituhr

Samsung bewirbt die Gear als „perfect companion device for the Galaxy Note 3“, und genau so so muss man sie auch verstehen. Ohne ein Smartphone, das als Steuerzentrale fungiert, ist die Uhr völlig nutzlos. Der Datenaustausch erfolgt über Bluetooth, die Initiierung erfolgt über NFC, was einfach und problemlos funktionert. Danach hat man über die App „Gear Manager“ Zugriff auf eine Fülle an Uhren-Designs, oder auf speziell angepasste Apps, etwa Runtastic. Über den integrierten Bewegungssensor zählt die Uhr nämlich auf Wunsch die Schritte beim Jogging, um nur ein Anwendungsbeispiel zu nennen. Mit Stand September gibt es circa 70 Gear-Apps, so Samsung. 

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Ohne den Gear Manager ist die Galaxy Gear so gut wie nutzlos. / © NextPit Image source: NextPit

In das Armband hat Samsung eine 1,9-Megapixel-Kamera integriert, die immer dann zum Einsatz kommen soll, wenn man ein schnelles Foto machen will, ohne dafür extra das Smartphone aus der Tasche zu ziehen. Die in James-Bond-Manier geknipsten Bildchen werden automatisch mit dem Smartphone synchronisiert, sobald man die Kamera-App auf der Uhr beendet. Ein Blick auf die Fotos, die auf dem Telefon in einer automatisch angelegten Galerie abgespeichert werden, bestätigt, was im Prinzip vorher schon klar war: Die Qualität ist mies, die Bildchen faktisch kaum zu irgendetwas zu gebrauchen. 

Der Spätzünder

Die Interaktion mit dem Smartphone ist das bestimmende Element. Die Galaxy Gear bietet etwa Zugriff auf Samsungs Smartphone-Sprachsteuerung S Voice, außerdem wird man auf dem Uhren-Display benachrichtigt, wenn eine E-Mail eintrudelt oder ein Termin ansteht. Über die integrierte Lautsprecher-/Mikrofon-Kombination kann man auch telefonieren, was ich allerdings nicht ausprobiert habe. 

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Über den Gear Manager hat man Zugriff auf eine Fülle an Uhren-Designs. / © NextPit Image source: NextPit

Dafür habe ich viele andere Sachen ausprobiert und dabei ist mir aufgefallen, dass das proprietäre System (es handelt sich um eine stark veränderte Version von Android) nur mit Verzögerung auf Eingaben reagiert. Das Starten der Foto-App dauerte gefühlt zwei Sekunden und beim Wechsel zwischen den einzeln Menü-Einträgen vergeht immer ein Wimpernschlag. Man steuert die Uhr übrigens von Menü zu Menü, indem man horizontal über den Touchscreen wischt, ein Wisch von oben nach unten führt dagegen immer zurück in die nächsthöhere Menüebene. Wenn man sich irgendwo verlaufen hat, drückt man einfach die einzige physische Taste rechts oben.

Ich kann mir keinen Reim auf die Trägheit des Systems machen. Die Auflösung ist niedrig, nur wenige Pixel müssen angesteuert werden, der Prozessor scheint mit einer Taktrate von 800 MHz und 512 MB RAM ausreichend für diese bescheidene Aufgabe gerüstet. 

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In diesen Kasten muss man die Gear jeden Abend stecken, um nachzuladen. / © NextPit Image source: NextPit

Erfolg mit Trial & Error 

Die Tatsache, dass der Akku laut Samsung gerade mal einen Tag hält, und dass man das Gerät zum Aufladen in einen speziellen Ladekäfig stecken muss (bei dem es sich im Prinzip um einen Adapter für die Pogo-Pins handelt), ist nur der letzte Sargnagel der Galaxy Gear. Ob Samsung selbst an einen Erfolg glaubt? Ich habe meine Zweifel. Aber im Gerätesegment agieren die Koreaner seit Jahren mit der selben Unbekümmertheit, die auch Google auszeichnet: Trial & Error wird zur Kunstform erhoben, Produkte werden einfach auf den Markt geworfen und dann wird geschaut, was passiert. Dieser Strategie verdanken wir Innovationen wie das Galaxy Note, das die Phablet-Ära ja bekanntlich eingeleitet hat. 

Technische Daten

GALAXY GEAR  
Prozessor 800 MHz
Arbeitsspeicher 512 MB RAM
Display 1,63 Zoll Super AMOLED (320 x 320)
Kamera 1,9 MP
Video Codec: H.264, MP4, HD (720p)
Konnektivität Bluetooth 4.0, BLE
Sensoren Beschleunigungssensor, Gyroskop
Speicher 4 GB intern
Akku 315 mAh
Abmessungen 36,8 x 56,6 x 11,1 mm
Gewicht 73,8 g
Verfügbarkeit September 2013

Fazit: Die Tech-Welt hat umsonst gewartet

Die Galaxy Gear wird der nächste große Smartwatch-Flop und ich frage mich, wie viele noch folgen werden, bis die Welt endlich begreift, dass dieses Produktkonzept momentan zum Scheitern verdammt ist. Kein Mensch braucht eine Uhr als ein verlängertes Smartphone-Display, dazu fehlt einfach der Mehrwert. In fünf Jahren vielleicht, wenn flexible Displays marktfähig und günstig sind, dann, ja dann vielleicht. Aber jetzt? Jetzt warte ich eigentlich nur noch darauf, dass Apple eine ähnliche Uhr bringt und sich damit eine blutige Nase holt. Pebble, I’m Watch, Sony SmartWatch, Galaxy Gear: Der Friedhof der Smartwatches, er füllt sich langsam.

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