Sensorfläche und Auflösung

Im scheidenden Jahrzehnt war das 1/3-Zoll-Format lange Zeit der Standard bei Smartphone-Kameras. Gegen Ende der Dekade wurden die Chips dann auf einmal größer – bis Samsung endlich mit dem Isocell Bright HMX in die Größenordnung des legendären Nokia 808 Pureview vorgestoßen ist.

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108 Megapixel: Hinter dem großen Auge in der Mitte sitzt der 1/1,33 Zoll große Bildsensor des Xiaomi Mi Note 10. / © NextPit Image source: NextPit

Warum ist die Größe so wichtig?

Stellt Euch den Bildsensor wie einen Eimer vor, mit dem Ihr die Niederschlagsmenge messen wollt. Je größer der Eimer, desto mehr Wasser sammelt er. Natürlich könnten wir den Niederschlag auch mit einem Schnapsglas erfassen und dann auf einen Liter-Wert pro Quadratmeter hochrechnen. Doch je größer das Gefäß, desto genauer das Ergebnis.

Der Samsung Isocell Bright HMX bietet mit seinen 1/1,33 Zoll nun etwa drei- bis viermal so viel Fläche wie der Sony IMX363 im Google Pixel 4 XL. Allerdings ist die Auflösung mit 108 Megapixeln beinahe zehnmal so hoch – die einzelnen Pixel auf dem Sensor sind also deutlich kleiner.

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Zwei Sony-Sensoren im Vergleich: Der 48-Megapixel-Chip IMX586 war der erste Sensor mit Quad-Pixel-Technologie. Unter jedem Farbfilter liegen hier jeweils vier Pixel. / © NextPit Image source: NextPit

Nicht nur Samsung, sondern etwa auch Sonys setzt bei seinen hochauflösenden Sensoren jenseits der 30 Megapixel auf eine um den Faktor vier niedriger auflösende Bayer-Maske namens Tetracell (Samsung) beziehungsweise Quad-Bayer (Sony). Die Farbauflösung des 108-Megapixel-Sensors etwa beträgt also 27 Megapixel – bei dieser Auflösung ist die Pixelgröße rechnerisch größer als bei den gemeinen 12-Megapixel-Sensoren.

Viel Auflösung, viel Flexibilität

Warum jetzt dieser Kunstgriff? Diese Unterteilung der Farbpixel erhöht die Flexibilität. Bei idealen Lichtverhältnissen erlaubt es die volle Auflösung, extrem feine Details abzubilden. Die niedrigere Farbauflösung fällt deutlich weniger ins Gewicht als die sehr hohe Helligkeitsauflösung, siehe hierzu auch das im Videobereich übliche Chroma-Subsampling.

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Die Mitte (2) zeigt eine Kombination aus der hohen Helligkeitsauflösung (1) und der niedrigeren Farbauflösung (3). Artefakte sind nur an Übergängen mit starken Kontrasten sichtbar, hier beim Übergang von Grün zu Blau. Aus genau diesem Grund ist beispielsweise beim Arbeiten mit einem Greenscreen eine Kamera mit einem hohen Farbsubsampling wichtig. / © NextPit Image source: NextPit

Die wirklichen Vorteile fahren die Sensoren dann schließlich bei schwierigen Lichtverhältnissen aus. Bei kontrastreichen Motiven wie Gegenlicht ist es sowohl bei Sonys als auch bei Samsungs Sensoren möglich, die einzelnen Pixel unter einem einzelnen Farbfilter unterschiedlich zu belichten. Damit sind HDR-Fotos aus einem einzigen Bild möglich – oder etwa HDR-Videos.

In der Dunkelheit schließlich spielen die großen Sensoren ihre Flächenvorteile aus, da her einfach unter jedem Farbfilter durch die Kombination der Informationen von jeweils vier Subpixeln mehr Licht eingesammelt werden kann.

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Die 108-Megapixel-Fotos aus dem Xiaomi Mi Note 10 weisen beeindruckend viele Details auf. Eine variable Blende könnte die Abbildungsleistung gerade in den Bildecken noch weiter verbessern. / © NextPit Image source: NextPit

Übrigens: JPEG-Fotos oder MPEG-Videos sehen im Standard eine Farbunterabtastung von 4:2:0 vor. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass hier auf vier Helligkeitsinformationen ohnehin nur eine Farbinformation gespeichert wird – so wie in obigem Beispielbild.

2020 werden wir viele Smartphones mit extrem hochauflösenden Sensoren sehen. Nicht umsonst unterstützt Qualcomms frisch vorgestellter Snapdragon 865 Kameras mit bis zu 200 Megapixeln. Und wenn wir den Amerikanern glauben dürfen, dann werden wir im kommenden Jahr bereits eine derartige Auflösung in Smartphones sehen.

Noch mehr als über die von Qualcomm versprochene 8K-Auflösung freue ich mich übrigens über die Verbesserungen beim Zeitlupenmodus. Der Snapdragon 865 erlaubt die Aufnahme von 960 fps ohne lästige Zeitbeschränkung auf einen winzigen Sekundenbruchteil.

Kameramodule: Viel hilft viel!

Neben den größeren Hauptsensoren mit immer mehr Megapixeln fanden sich in den jüngsten Smartphones immer mehr Kamera-Module. Eine Penta-Kamera wie beim kürzlich getesteten Xiaomi Mi Note 10 wird 2020 eher die Regel denn die Ausnahme sein.

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Trypophobie? 2020 wird uns viele Smartphones mit Quad-, Penta-, und Weiss-Gott-was-Kameras bescheren. / © NextPit Image source: NextPit

Ich hoffe allerdings, dass Kamera-Module im kommenden Jahr nicht einfach ohne Sinn und Verstand in die Telefone reingeballert werden, nur um einfach mehr Linsen als die Konkurrenz zu haben. Makro-Kameras oder Tiefensensoren mit 2 Megapixeln bei gleichzeitig vorhandenen hochauflösenden Hauptsensoren und zusätzlichen Ultra-Weitwinkel-Kameras und sind meines Erachtens überflüssig.

Durchbruch für ToF

Es gibt noch eine neue Gattung von Sensoren, die im kommenden Jahr weiter in den Fokus rücken werden. Time-of-Flight-Kameras nehmen zwar nur ein vergleichsweise niedrig auflösendes Bild auf, liefern dafür zu jedem Pixel eine Tiefeninformation und generieren somit ein echtes 3D-Bild.

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Time-of-Flight-Kameras liefern ein echtes 3D-Bild. Das sieht nicht nur lustig aus, sondern erlaubt auch fortschrittliche Bildeffekte. / © NextPit Image source: NextPit

Mit diesen Tiefen-Details ist es nun beispielsweise möglich, präzisere Bokeh-Effekte zu generieren, Objekte freizustellen oder beliebige virtuelle Dinge in Fotos einzubinden. jüngsten Gerichten zufolge soll die nächste iPhone-Generation mit genau solchen Modulen die Hauptkamera für AR-Anwendungen unterstützen. 

Goodbye, Notch

Einem Auswuchs der vergangenen Jahre dürfen wir wohl ab 2020 leise „Servus“ sagen: der Notch. Bereits Anfang 2019 hat Oppo eine Kamera vorgestellt, die durch das Display durch fotografieren kann. Anfang Dezember zeigte der chinesische Hersteller auf einem Event in Shenzhen einen funktionierenden Prototypen. 2020 oder spätestens 2021 dürfen wir wohl auf die ersten Smartphones mit entsprechender Kamera hoffen. 

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Neben der Notch im Display sind auch die diversen Pop-Up-Kameras dem Untergang geweiht. / © NextPit Image source: NextPit

Computational Photography

Wir hatten das Thema schon mehrfach in diesem Artikel gestreift, doch die Computational Photography hat sich für 2020 definitiv einen eigenen Abschnitt verdient. Ist die computergestützte Fotografie in den vergangenen Jahren in erster Linie durch HDR, Multishot-Nachtmodi und jüngst beim Pixel 4 durch Astrofotografie in Erscheinung getreten, wird das Spektrum nächstes Jahr breiter.

Die Beta von Adobes Kamera-App namens Photoshop Camera gibt einen interessanten Ausblick: Neben den üblichen Farbfiltern gibt es hier auch Filter, die das Wetter verändern oder den Tag zur Nacht machen. Und auch fortgeschrittenere Effekte, die die Augen strahlender, die Haut schöner oder à la FaceApp gar Menschen jünger machen, werden wir im kommenden Jahr immer mehr sehen.

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Grau-trist, freundlich-sonnig oder bei Nacht – Adobes Photoshop Camera krempelt das Bild komplett um. Welches Foto ist das Original? / © NextPit Image source: NextPit

Und Ihr so?

Auf welche Verbesserungen freut Ihr Euch am meisten, und wovor graut es Euch womöglich? Und welches für Euch persönlich wichtige Thema wurde total vernachlässigt? Ich freue mich auf Eure Meinung in den Kommentaren!