Der Brief einer ostfriesischen Mutter an ihren Sohn
Lieber Sohn!
Ich schreibe Dir diesen Brief, damit Du weißt, dass ich noch lebe. Ich schreibe langsam, weil ich weiß, dass Du so schnell nicht lesen kannst.
Wenn Du wieder einmal nach Hause kommst, wirst Du unsere Wohnung nicht wieder erkennen. Wir sind nämlich umgezogen. In der neuen Wohnung war sogar eine Waschmaschine. Ich tat fünf Hemden hinein, zog an der Kette; ich habe die Hemden bis heute nicht wiedergesehen.
Vater hat eine neue Arbeit. Er hat jetzt 5000 Leute unter sich. Er mäht Rasen auf dem Friedhof.
Letzte Woche ist Onkel Paul in einem Whiskyfass ertrunken. Einige Männer wollten ihn noch retten, doch er leistete heftigen Widerstand. Sein letzter Wunsch war eine Feuerbestattung. Es hat drei Tage gedauert, bis ihn die Feuerwehr gelöscht hatte.
Deine Schwester Marie hat gestern ein Baby bekommen. Da wir nicht wissen, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist, wissen wir auch nicht, ob Du Onkel oder Tante geworden bist.
Letzte Woche hat es siebenmal geregnet; erst drei Tage, dann vier Tage. Es hat so gedonnert, dass unser Hahn viermal dasselbe Ei gelegt hat. Am Donnerstag sind wir alle gegen Erdbeben geimpft worden.
Deine Mutter.
PS.: Ich wollte Dir noch Geld mitschicken, aber ich hatte den Brief schon zugeklebt.
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