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Meinung: Nachhaltige Smartphones sind jetzt möglich, nicht erst morgen!

Android Update 2023
© ltyuan / Adobe Stock

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Was passiert, wenn ein Smartphone-Hersteller ein Android-Update auf seine Geräte bringen will? Ich hatte die Gelegenheit, mit Agnes Crépet, der Leiterin der Abteilung für Software-Nachhaltigkeit bei Fairphone, zu sprechen. Sie versucht auf ihre Weise, die Nachhaltigkeit unserer Smartphones zu verbessern.

Die Idee zu diesem Artikel kam mir, nachdem ich vor einigen Wochen eine Pressemitteilung von Fairphone erhalten hatte. Darin wurde angekündigt, dass das Fairphone 3 (Test) und Fairphone 3+, die 2019 und 2020 auf den Markt kamen, direkt von Android 11 auf Android 13 umsteigen würden. Und dass Fairphone diesen Update-Prozess mangels offizieller Unterstützung durch den Chiphersteller Qualcomm intern durchführen würde.

Ich wollte also wissen, wie das alles abläuft. Welche Art von Support kann der Hersteller eines SoCs einem Smartphone-Hersteller für die Software-Wartung bieten? Und vor allem: Wie kann ein Hersteller, wenn dieser Support ausläuft, diesen schweren Prozess der Android-Updates selbst übernehmen?

Agnes Crépet hat mir hier nicht nur einen sehr interessanten Überblick über jene Schritte gegeben, die ein Hersteller wie Fairphone durchlaufen muss, um ein Android-Update bereitzustellen. Sie hat mir auch Wege der Hoffnung aufgezeigt. Wege, die letztendlich dazu führen könnten, dass Nachhaltigkeit in unserem Kaufverhalten, aber auch und vor allem in den Geschäftsstrategien der Hersteller verankert wird.

Fairphone 4 in Einzelteilen
Fairphone ist für die Reparierbarkeit seiner Smartphones und seine Software-Nachhaltigkeit bekannt. / © NextPit

"Es dauert lange, es ist teuer, es ist komplex".

Als Hersteller eines Smartphones muss man eine Reihe von Schritten durchlaufen, bevor man ein Android-Update ausrollen kann. Das ist logisch. Aber ich werde Euch jetzt keinen Wikipedia-Eintrag darüber schreiben, wie ein Android-Update funktioniert.

Nein, das Interessante an diesem Prozess ist, zu verstehen, dass er nicht unüberwindbar ist. Wenn Fairphone es über einen so langen Zeitraum auf die Kette kriegt, dann können das ja wohl auch die Big Player auf dem Markt mit ihren kolossalen Mitteln, etwa Samsung oder Xiaomi.

Aber dazu komme ich weiter unten. In der Zwischenzeit kann man den gesamten Prozess auf vier große Schritte zusammenfassen:

  • Die Veröffentlichung der neuen AOSP-Version durch Google.
  • Vorbereitung des Software-Code durch den Chiplieferanten und Umsetzung durch den Smartphone-Hersteller.
  • Anpassung an die Anforderungen der Mobilfunkbetreiber in den jeweiligen Märkten.
  • Android-Zertifizierung bei Google und anschließend die Netzwerkzertifizierung bei den Netzbetreibern.

Alles beginnt mit Google und der neuen Android-Version. Der Smartphone-Hersteller erhält in der Regel Unterstützung vom Chip-Lieferanten seines Modells.

Im Fall von Fairphone ist das Qualcomm, da das Fairphone 3 und das Fairphone 3+ mit dem Snapdragon 750 ausgestattet sind. Fairphone und Qualcomm handeln bereits beim Einkauf der Chips eine bestimmte Dauer für dessen Unterstützung aus. Es gibt sozusagen von Anfang an ein Verfallsdatum.

Dies führt uns zum zweiten Schritt. Im Rahmen des obengenannten Supports wird Qualcomm eine neue Baseline erstellen und diese an die neueste Version von AOSP anpassen – und diesen Code dann an Fairphone liefern.

Dieser Prozess kann mehr oder weniger lange dauern. Es hängt davon ab, ob der Chip mehr oder weniger "hochwertig" ist und daher in den Augen von Qualcomm eine hohe Priorität hat oder nicht.

Fairphone Nachhaltigkeitsziele
Fairphone übertrifft seine Nachhaltigkeitsziele bei den neuesten Modellen (Quelle: Fairphone Impact Report 2022) / © Fairphone

Tests, Zertifizierungen und noch mehr Tests

Nachdem der neue Code übermittelt wurde, kann Fairphone damit beginnen, diese Baseline auf seinen Geräten zu implementieren. "Als Hersteller kann ich damit beginnen, diese auf mein Gerät zu übertragen, wobei möglicherweise Treiber umgeschrieben und die Hardware angepasst werden müssen." Bei den vielfältigen Kameras beispielsweise könne es erforderlich sein, die Baseline noch einmal umfassend anpassen zu müssen, erklärt Agnes.

Und weiter: "Dann müssen wir sicherstellen, dass wir alle Anforderungen der Mobilfunkanbieter erfüllen. Jeder Betreiber hat seine eigenen Anforderungen und das ist nicht wirklich öffentlich. Es ist sehr kompliziert. Man muss sicherstellen, dass es keine Verschlechterungen von Android 12 auf Android 13 gibt, zum Beispiel, und wenn es sie gibt, müssen wir entsprechend reagieren."

Um sicherzustellen, dass alles auf der Netzwerkebene läuft, werden überall in Europa große Testkampagnen mit professionellen Testern durchgeführt.

Wenn alles in Ordnung ist, müssen noch zwei Arten von Genehmigungen eingeholt werden: die Zertifizierungen von Google und die Zertifizierungen von den Netzbetreibern.

"Der erste Schritt ist Google. Wir schicken alles an eine Zertifizierungsstelle von Google, die das Update einer Testsuite namens CTS (Compatibility Test Suite) unterzieht. Das sind Hunderttausende von Tests. Wenn auch nur einer davon fehlschlägt, hast Du keine Android-Zertifizierung und kannst das Update nicht bereitstellen."

"Wenn Googles Zertifizierungsstelle sagt, dass alles in Ordnung ist, muss man dann zu den Tests der Netzbetreiber übergehen. Man muss bei den europäischen Netzbetreibern einen nach dem anderen durchlaufen, wobei die größten die anspruchsvollsten sind. Und erst dann kann man das Update 'shippen'. Wenn auch nur eine Sache abstürzt, geht es wieder von vorne los. Es dauert lange, es ist teuer, es ist komplex."

Google-Updates: CTS-Protokoll
So schematisiert Google die Funktionsweise des CTS-Protokolls für die Android-Zertifizierung. / © Google.

Das Ende der Chip-Unterstützung ist nicht tödlich

Was ich dank der Erklärungen von Agnes Crépet beschrieben habe, ist der "klassische" Prozess, wenn der Smartphone-Hersteller noch über den offiziellen Support des Chip-Lieferanten verfügt.

"Aber der Chip-Support ist nur ein Baustein unter vielen", erklärt Agnes, "wenn Du ihn nicht mehr hast, kannst Du einfach selbst den Weg über AOSP gehen, ohne die Baseline. Und es ist immer noch möglich, gegen Bezahlung etwas mit dem Chipsatz-Hersteller zu machen."

Die Expertin erklärt weiter: "Als wir den Chipsatz für das Fairphone 3 gekauft haben (einen Snapdragon 750), wussten wir, wann der Support ungefähr enden würde. Und bei manchen Chipsätzen, wenn viele Hersteller ihn gekauft und eingebaut haben (was beim SD 750 nicht der Fall war), kann man eine schöne Überraschung erleben und eine Supportverlängerung bekommen."

"Qualcomm bemüht sich zunehmend darum, dass auch bei Nicht-Flaggschiffen der Support stimmt. Und es gibt eine gewisse Transparenz bei diesem Thema, also geben wir dem Chiphersteller nicht die Schuld."

Dass Fairphone die Software-Wartung über den offiziellen Support hinaus auf eigene Kosten vorantreibt, dient laut Agnes vor allem dazu, zu zeigen, dass es möglich ist.

Es ist super teuer, es ist riskant, deshalb machen es nicht alle Hersteller, und für Fairphone ist es viel komplizierter. Wir haben weniger Ressourcen, ich habe nur fünf Leute in meinem Team, also ist es kritischer für uns."

Zwar habe Fairphone im Vergleich zu Samsung oder Xiaomi nicht viele Modelle im Katalog, räumt die Expertin ein. "Aber bei einigen großen Herstellern gibt es manchmal nicht ein einziges Modell, das so lange aktualisiert wird wie unsere Smartphones."

"Wir interessieren uns nicht für die richtigen Kriterien".

Die Software-Haltbarkeit wird ein immer wichtigeres Kaufkriterium. Das gilt nicht nur für mich als Technik-Journalist, sondern auch für mich als Privatperson. Aber bei jeder neuen Produkteinführung bedauere ich, dass es den Herstellern auf grausame Weise an Klarheit und Transparenz in Bezug auf ihre Update-Politik mangelt.

Wenn ich wissen will, wie viele Updates ein Xiaomi-Geräte erhält, habe ich keine offizielle Ressource oder Dokumentation, um diese Informationen zu finden. Samsung spielt den Musterschüler mit einer mehr oder weniger vollständigen Liste der Modelle und ihrer Update-Zyklen. Aber sie geben nicht an, wie oft beziehungsweise wie selten sie ihre Sicherheitspatches im Laufe der Zeit veröffentlichen.

Es gibt das Vorurteil, dass Nutzerinnen und Nutzer ihre Smartphones nach zwei Jahren wegwerfen. Und die Hersteller nutzen diesen nicht unbedingt bewiesenen Umstand als Argument, um ihre mangelnde Software-Haltbarkeit zu rechtfertigen.

Aber das ist eher ein Ergebnis als eine Ursache. Angès verwies mich an eine Studie zur Vorbereitung der europäischen Ecodesign-Richtlinie, die darauf abzielt, die Verschwendung von elektronischen Produkten zu begrenzen und eine bessere Nachhaltigkeit beim Konsum dieser Produkte zu gewährleisten. Sie vertritt Fairphone in der Arbeitsgruppe der Regierung für die Umsetzung der Richtlinie in Frankreich.

Haltbarkeit von Smartphones – und der Wunsch danach
Die Menschen wollen ihre Smartphones länger behalten, sind aber gezwungen, sie häufiger zu erneuern. / © Europäische Kommission.

In dieser Studie zeigt eine der durchgeführten Umfragen, dass 19 % der europäischen Verbraucher angeben, ein neues Smartphone gekauft zu haben, weil die Software nicht mehr mithalten konnte. Ein anderes Barometer zeigt, dass die Verbraucher im Durchschnitt gerne 5,2 Jahre lang das gleiche Smartphone behalten würden. In Wirklichkeit trennen sie sich jedoch nach 2,7 Jahren davon.

Studie zur Haltbarkeit von Smartphones
19 % der Befragten haben ein Smartphone neu gekauft, weil die Software ihres vorherigen Modells veraltet war. / © Europäische Kommission.

"Das Marketing treibt die Menschen dazu, ihre Geräte zu erneuern, und sie achten nicht auf die richtigen Kriterien", bedauert Agnès, die jedoch alles andere als resigniert ist. "Es kommen europäische Vorschriften, die Mindestanforderungen vorschreiben werden. Die Ecodesign-Richtlinie zum Beispiel sieht vor, dass die Hersteller eine Verpflichtung von fünf Jahren für Sicherheitsupdates und drei Jahren für Funktionsupdates einhalten müssen."

"Aber einige europäische Siegel, wie das deutsche Umweltzeichen Blauer Engel, sehen ein Minimum von sieben Jahren an Sicherheitsupdates und drei Jahren an Funktionsupdates vor."

Und das ist, wie Agnes mich daran erinnert hat, NACH dem Ende des Verkaufs. Verkauft der Hersteller also ein Smartphone ab dem Jahr 2023 über drei Jahre hinweg – wie Fairphone – muss es nach dem Verkaufsende im Jahr 2026 noch fünf weitere Jahre lang auf dem neuesten Stand gehalten werden.

Ein weiterer Pfad der Hoffnung ist die Einbeziehung der Software-Haltbarkeit in den Index der Reparierbarkeit. Dieser Index, der 2021 in Frankreich im Rahmen des Anti-Verschwendungsgesetzes eingeführt wurde, wird zum Nachhaltigkeitsindex werden und die Softwareunterstützung in seinen Kriterien berücksichtigen.

"Du hast die kulturelle Obsoleszenz, aber das betrifft nicht die extreme Mehrheit der Menschen. Es gibt Leute, die ihr Smartphone länger behalten wollen. Aber sie werden gezwungen zu erneuern, weil die Banking-App nicht mehr funktioniert, TikTok [grinst] nicht mehr funktioniert, oder die Oberfläche ein wenig langsamer ist."

Ein letzter Ansatzpunkt für mehr Nachhaltigkeit könnte die Unlockability des Bootloaders sein. Die Tatsache, dass man auf jedem Smartphone ein alternatives Betriebssystem installieren kann, wenn der offizielle Support des Herstellers abgelaufen ist.

Es gibt viele sehr glaubwürdige Alternativen, die von sehr aktiven Gemeinschaften getragen werden. /e/OS, postmarketOS, Ubuntu Touch sind die bekanntesten Beispiele, die Agnes Crépet mir vorgeschlagen hat.

Wie dem auch sei, Fairphone möchte mit gutem Beispiel vorangehen und vor allem andere Hersteller dazu anregen oder sogar inspirieren, mehr Anstrengungen in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Software zu unternehmen. Diese Philosophie entspricht meiner Meinung nach einem echten Bedürfnis und einem Wunsch der Verbraucher. Ein Wunsch, dem sich Hersteller wie Samsung, Xiaomi und andere anschließen müssen.

Aber ohne das gesamte Gesetzespaket auf EU-Ebene, von dem gerade die Rede war, glaubt Angès Crépet nur wenig an eine Bewusstseinsbildung. Bis der Gesetzesapparat in Gang kommt, liegt es auch an uns, unser Einkaufsverhalten zu ändern. Es liegt auch an mir als Tech-Journalist und Tester, die Nachhaltigkeit stärker in meine Bewertungskriterien einzubeziehen.

Es ist auf jeden Fall ein faszinierendes Thema, das ich gerne für Euch weiter erforschen würde. Wäre das für Euch interessant? Ich würde sehr gerne einige alternative Betriebssysteme testen. Aber auch Anleitungen zur Reparierbarkeit würden mich reizen. Was denkt Ihr darüber? Schreibt es uns in die Kommentare!

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Zu den Kommentaren (8)
Antoine Engels

Antoine Engels
Head of Editorial nextpit France

Schwarzer Gürtel beim Lesen von Datenblättern. OnePlus-Fanboy in der Remission. Durchschnittliche Lesezeit für meine Artikel: 48 Minuten. Fact-Checker für Tech-Tipps in seiner Freizeit. Hasst es, von sich selbst in der dritten Person zu sprechen. Wäre in einem früheren Leben gerne JV-Journalist gewesen. Versteht keine Ironie. Head of Editorial bei NextPit France.

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8 Kommentare
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  • Jörg W. 64
    Jörg W. vor 11 Monaten Link zum Kommentar

    Im Durchschnitt hat jeder Deutsche 5 alte Phone bei sich rumliegen (möchte mal wissen wie viele es Weltweit sind )diese sollten zurück in den Kreislauf dann wäre alle geholfen.


  • Conjo Man 52
    Conjo Man vor 11 Monaten Link zum Kommentar

    Das Thema der fairen, nachhaltigen Smartphones werden wir nächstes und die darauf folgenden Jahr(e) diskutieren und sind kaum weiter. Solange die großen "Global Player" diesen Weg nicht einschlagen, gibt es kaum Bewegung. So kleinere Unternehmen wie Fairphone haben doch kaum die finanziellen Mittel um groß was zu bewegen - so schaut's aus m.M.n

    Gelöschter Account


    • 25
      Gelöschter Account vor 11 Monaten Link zum Kommentar

      Die Global Player reagieren ausschließlich auf Änderungen im Kaufverhalten der Masse und auf die Gesetzgebung. Beides wird sich so schnell nicht ändern.

      Vielleicht gehen uns aber vorher die Rohstoffe aus, dann ist´s mit der gewohnten Produktion auch recht flott vorbei. Diese seltenen Erden braucht aber auch das Fairphone, denke ich.


      • 22
        Marcel vor 11 Monaten Link zum Kommentar

        @Rennschnecke

        Bei „Seltenen Erden“ handelt es sich weder um Erden, noch sind sie wirklich selten. Es sind Metalle, die sich recht gleichmäßig in der Erdkruste verteilen. Einige kommen häufiger vor als Blei. Insgesamt gibt es 17 dieser Metalle, darunter Cerium, Yttrium und Neodym.

        Deine Aussage, daß die Global Player Apple und Samsung sich mit ihren Produkten am Kaufverhalten der Masse ausrichten, ist absolut zutreffend.

        Das Problem bei Smartphones oder Smart TVs: Es sind keine reinen Gebrauchsgegenstände wie Wasserkocher, Toaster oder Waschmaschinen.
        Es ist eine Art psychologische Obsoleszenz.
        z.B. Der Kauf des neuen Fernsehers wird vor sich selbst mit der größeren Bildschirmdiagonale gerechtfertigt.


      • 69
        Michael K. vor 11 Monaten Link zum Kommentar

        Bei der Gesetzgebung sind durchaus Vorgaben zu Update-Zeiten und Langlebigkeit der Produkte geplant und absehbar, auch wenn unklar ist, was am Ende tatsächlich davon übrig bleibt.

        https://www.heise.de/news/EU-plant-strenge-Umweltregeln-fuer-Smartphones-6183147.html

        Quelle: heise.de


  • Olaf 44
    Olaf vor 11 Monaten Link zum Kommentar

    Der Weg, den Fairphone eingeschlagen hat, wird umso beschwerlicher, je mehr Geräte ein Hersteller in seinem Portfolio hat. Dass bei Global Playern erst recht kein Team von fünf Leuten ausreicht, dürfte sich von selbst verstehen. Mit anderen Worten: Es wird - wie immer - zum Kostenfaktor. Denn alleine Zeit ist Geld. Je länger Geräte vom Support umfasst werden, umso teurer werden sie für den Hersteller.

    Da verwundert es wenig, dass Xiaomi sich vom Underdog mit gutem Software-Support längst zu einem Giga-Unternehmen mit denkbar wenig Nachhaltigkeit entwickelt hat. Xiaomi, Redmi, Poco - da wurden in der Vergangenheit derart viele Modelle, die sich mitunter nur marginal unterschieden und oftmals dem preisgünstigen Einstiegs- und untere Mittelklasse-Sektor angehörten, in die Landschaft geballert, dass sich bei diesen Geräten ein teurer Support schlichtweg nicht lohnt. Ein Smartphone, das für rund 120,00 Euro in Deutschland als Neuware angeboten wird, kann einfach keinen Support über das absolute Minimum hinaus erwarten. Das ist unter Umweltaspekten verheerend, aber keine neue Erkenntnis, da Geiz bekanntermaßen eben nicht geil ist.

    Jetzt könnte man dagegen halten, dass Xiaomi ja auch längst im vierstelligen Preisbereich unterwegs ist. Richtig, und dort werden ja auch tatsächlich Update-Versprechen gegeben (die es erst noch einzuhalten gilt). Das Massengeschäft jedoch ist hier nach wie vor wörtlich zu nehmen: Unendlich viele Geräte, die im günstigen Preisbereich angeboten werden - und im ungünstigsten Fall bereits nach zwei Jahren aus der Software-Pflege hinausfliegen.

    Es bedarf hier tatsächlich gesetzlicher Regelungen, um Hersteller zum Einlenken zu zwingen. Fairphone macht es freiwillig, es ist deren Geschäftsmodell - und sie bleiben damit letztlich in der Nische. Das mag man zum einen Teil unfair finden, hätte dieses Konstrukt doch tatsächlich viel mehr Aufmerksamkeit und damit höhere Verkaufszahlen verdient. Andererseits sind wir dann aber doch auf der Suche nach der schnellsten Hardware, der besten Kamera, dem zufriedenstellendsten User-Interface. Und bei all diesen Punkten geht man bei Fairphone bestenfalls Kompromisse ein.

    Global Player wiederum bedienen unsere Wünsche, was die Hard- und Software betrifft. Oder auch den simpelsten aller Gründe: Ich will das möglichst Beste zum möglichst niedrigsten Preis. Und genau diese Attitüde reitet uns halt immer tiefer in den (Umwelt-) Dreck. Das gilt ja nicht nur für Smartphones. Deswegen haben wir im Supermarkt Kartoffeln aus Israel und Ägypten, auch im Winter frische Ananas und der 6er-Pack Äpfel stammt auch schon mal aus Australien (sic!). Man kann es drehen und wenden, wie man will: Letztlich wird es nur über das Umdenken beim Konsumenten funktionieren. Und die Gesetzgebung muss Hersteller in die Richtung treiben, dass ein Umdenken überhaupt erst ermöglicht wird. Denn solange ich ein Smartphone für 150 Euro bekomme, das dem Fairphone technisch überlegen ist, greift der Verbraucher in den meisten Fällen zum Billigheimer.

    Phonator51TentenStefan Möllenhoff


    • 69
      Michael K. vor 11 Monaten Link zum Kommentar

      In vielem kann ich zustimmen, in manchem bin ich aber auch anderer Meinung.
      Selbst in hochentwickelter Ländern gibt es viele Menschen, für die 120 € viel Geld ist, von Ländern der Dritten Welt ganz zu schweigen, wo es Menschen gibt, die für diese Summe ein Jahr oder länger arbeiten müssen. Es gibt also einen riesigen Markt auch für günstige Geräte, diesen nicht mehr zu bedienen würde heissen, diesen Menschen die Vorzüge der Geräte zu verweigern, und damit auch teilweise gesellschaftliche Teilhabe.
      Ich halte es auch gar nicht für nötig Geräte zu diesem Preis nicht weiter herzustellen und zu verkaufen.
      Laut Statista wurden weltweit zuletzt 1,21 Milliarden Smartphones verkauft.
      Verkauft ein Hersteller 5 Millionen Geräte eines Billigtelefons für 100 € pro Jahr, hat er damit einen Marktanteil von weniger als 0,5%. Legt er Kosten für Softwareupdates von 1 Millionen € im Jahr zu Grunde, soviel dürften die 5 Software-Entwickler bei Fairphone in einem Jahr verursachen, inklusive einiger externer Dienstleistungen, und das in einem Hochlohnland, dann bedeutet das pro Gerät und Jahr gerade mal 20 ct, über vier Jahre also 80 ct zusätzliche Kosten durch Updates. 1 € mehr für Updates lässt sich aber auch bei einem 100 € Gerät noch einpreisen, ansonsten verlangt mal halt 101 € dafür, das sollte auch in Länder der Dritten Welt noch tragbar sein. Das Problem sind weniger die Kosten der Updates in solchen Massenmärkten, als dass die Hersteller ihren Gewinn maximieren wollen, und auch die 1 Millionen pro Jahr lieber in die eigene Tasche stecken wollen, und das geht noch weiter. An jedem Cent wird gespart, Geräte werden verclipst oder verklebt statt verschraubt, und damit unreparierbar, oder nötige Reparaturen dadurch so verteuert, dass sie sich in vielen Fällen nicht mehr lohnen.
      Laut Heise verkauft Fairphone etwa 90000 Geräte pro Jahr, und trotzdem schaffen sie es mit 5 Entwicklern in einem der wohlhabendsten Länder der Welt (den Niederlanden, ich nehme an dort arbeiten auch die fünf Entwickler) die Updates bereit zu stellen. Entwickler in Indien oder China kosten nur einen Bruchteil davon, also belaufen sich die jährlichen Kosten für Updates nur auf Cent-Beträge pro Gerät, auch wenn sie absolut sehr hoch sind, vorausgesetzt, man verkauft nur genug davon. Das ist aber in einem derart riesigen Markt auch bei Herstellern wie Xiaomi oder Realme der Fall, also sollten auch ihnen selbst im Billigsegment langjährige Updates möglich sein.
      Das Beispiel zeigt aber auch, dass Fairphone eben etwas mehr verlangen muss als der Wettbewerb, und unter Einbeziehung des Nachhaltigkeitseffekts durchaus faire Preise hat.

      Wenn ein Hersteller viele Modelle auf den Markt bringt, kann er die Kosten für Updates senken, wenn er diese nur ähnlich genug macht. Unterscheiden sich diese Modelle nur im SoC und vielleicht in der Kameraausstattung, dann muss sich die Software auch nur in der Treiberausstattung für diese Komponenten und einigen Teilen der Benutzeroberfläche unterscheiden. Hat der Hersteller ein Update für ein Modell durch, dann muss er zwar auch die anderen noch durch die Zertifizierungen bringen, aber die Kosten dafür dürften wegen der geringen Unterschiede in der Software viel geringer sein, und die Zertifizierungen der zusätzlichen Modelle auf Anhieb klappen.
      Ähnlich sieht es bei Sicherheitspatches aus, die ja häufig schon von Google verteilt werden, und nur geringe Teile der Software betreffen. Ob hierbei sämtliche "Konformitätstests" Google gegenüber nochmals durchgeführt werden müssen bezweifle ich, und die zu den Netzbetreibern sollten auch nicht erneut nötig sein, wenn die Netzschnittstellen von dem Update gar nicht betroffen sind.

      Grundsätzlich aber halte ich die "Wegwerfgesellschaft" für nicht zukunftsfähig und auch gar nicht für notwendig, und halte deshalb Regulierungsmaßnahmen wie sie die EU plant, und wie sie in Frankreich teilweise schon umgesetzt werden, für notwendig und sinnvoll.
      Zwar wird man nicht mehr zu Zuständen wie in den 60er Jahren zurückkommen, in denen ein Fernsehgerät so teuer war, und die Lohnkosten so niedrig, dass man es im Lauf seines Lebens zehnmal reparieren konnte, das wäre auch gar nicht wünschenswert.

      Aber um wenige Cent bei der Herstellung zu sparen, und damit ein Gerät wirtschaftlich quasi irreparabel zu machen, ist Raubbau an der Natur und zukünftigen Generationen und eine Privatisierung zusätzlicher Gewinne bei gleichzeitiger Sozialisierung der Kosten.

      Langlebigere und leichter reparable Geräte verbunden mit kostengünstigem und verstärktem Recycling wird die Elektoschrottberge der Zukunft kaum gänzlich verhindern können, aber die werden hoffentlich deutlich kleiner werden, ohne dass dabei der tatsächliche oder empfundene Wohlstand sinken muss. Das halte ich für möglich, aber man muss es halt auch wollen und durchsetzen.

      Quellen: Statista.com, heise.de

      Stefan MöllenhoffTenten


  • McTweet 23
    McTweet vor 11 Monaten Link zum Kommentar

    Danke für den Artikel. Mir hat er sehr gefallen. Ich finde den Weg von Fairphone gut und richtig. Auch wenn ich keines der Handys besitze, hoffe ich doch, dass es Fairphone noch lange gibt.
    Einen Kritikpunkt an dem Artikel habe ich allerdings. Es steht über Samsung "Aber sie geben nicht an, wie oft beziehungsweise wie selten sie ihre Sicherheitspatches im Laufe der Zeit veröffentlichen". Stimmt so nicht. Es gibt eine Liste, welche Modelle wie oft den Patch erhalten. Was allerdings richtig ist, dass diese immer angepasst wird. Heute noch monatlichen Patch, was sich irgendwann zum 1/4 jährlichen ändern kann usw.
    Merkt man, dass ich ein kleiner Samsung Fanboy bin? :D

    Phonator51Michael K.TentenAntoine EngelsMatthias ZellmerStefan Möllenhoff

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