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4 Gründe, warum der Smart-Home-Standard Matter scheitert ...

nextpit matter opinion
© brillianata, Pixel-Shot, Dmitri Stalnuhhin/Adobe Stock, CSA, Collage: nextpit

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... und ein Grund, warum's dann doch noch klappen könnte. Matter sollte das Allheilmittel für alle Smart-Home-Unverträglichkeiten werden. Doch ist es still geworden um den Standard, und die Kinderschuhe werden allmählich zu Betonklötzen am Bein. Aber woran hakt es hier überhaupt?

Ja, Matter ist ein komplett neuer Standard, und das bedeutet natürlich immer Reibereien. Ich kann mich noch an mein erstes Bluetooth-Handy erinnern und was für eine Qual das war, unter Windows 98 über einen Bluetooth-USB-Dongle eine Internetverbindung mit dem Symbian-Smartphone zu teilen. Aber hey, IRC auf dem Klo fühlte sich 2002 wie eine Revolution an.

Zurück zu Matter, das sich auch wie eine Revolution anfühlte – abseits all der Kinderkrankheiten zum Start. Aber ganz wie Bluetooth verfolgt Matter den Gedanken: Es gibt einen einzigen Standard, über den alle Geräte im Smart Home miteinander sprechen. 

Ihr braucht also keine Bridges mehr für irgendwelche Philips-Hue-Lampen und müsst nicht mehr auf Interkompatibilität von Fenster- und Temperatursensoren achten, sondern könnt einfach fleißig loskaufen, solange das Logo von Matters Unterbau-Standard "Thread" auf der Produktverpackung klebt.

Es gibt vier substanzielle Schwächen von Matter, die leider auf absehbare Zeit nicht besser werden.

1. Matter ist selbst immer nur eingeschränkt gegenüber dem Original

Matter ist theoretisch extrem vielfältig, krankt aber am gleichen Problem wie Apple HomeKit. Es wird nur ein Bruchteil der eigentlich remote steuerbaren Features unterstützt, die ein Gerät eigentlich mitbringt. WLAN-Steckdosen beispielsweise habt Ihr binnen Sekunden mit HomeKit verbunden und könnt diese ein- und ausschalten. Aber den aktuellen Stromverbrauch auslesen oder gar Automationen anhand des Stromverbrauchs erstellen? Klappt nur mit der App des Herstellers.

Auch Matter kann per Standardisierung derzeit keinen Energieverbrauch von Geräten übermitteln – im Jahr 2023, wo Energie ein wichtigeres Thema ist denn je! 

Dieses Problem werden Matter (und auch HomeKit) noch sehr sehr lange mit sicher herumschleppen. Über Bluetooth, WLAN & Co. sowie ihre eigenen Apps können sich die Hersteller Features für ihre Produkte ausdenken, wie sie lustig sind. Über Matter sind aber nur exakt die Features unterstützt, die im Standard spezifiziert sind – und hier kommen wir gleich zum nächsten Problem.

Aqara Motion Sensor P1 abgeknickt
Viele Smart-Home-Produkte von Aqara können mit dem Matter-Ökosystem, denn der Hersteller updated seine Zigbee-Hubs auf Matter-Kompatibilität. / © NextPit

2. Der Matter-Standard ist extrem eingeschränkt und kommt nicht voran

Matter 1.0 wurde im vergangenen November gelauncht – mit Support für smarte Lampen, Lichtschalter, Steckdosen, Türschlösser, Thermostate, Klimaanlagen, Rollos und Jalousien, Bewegungs- und Kontaktsensoren sowie Medienspeicher. Ganz oben auf der Update-Roadmap standen  damals weitere Haushaltsgeräte wie Saugroboter, Kühlschränke und Waschmaschinen.

Apropos Updates: Auf der Veranstaltung versprach die Connectivity Standards Alliance (CSA) hinter dem Standard, man werde zweimal im Jahr eine neue Version des Standards veröffentlichen. Nun kam tatsächlich Matter 1.1 im vergangenen Mai, allerdings ohne eine einzige neue Geräteklasse, sondern nur mit Bugfixes; von Saugrobotern & Co. keine Spur.

Auf seiner Webseite verspricht die CSA zwar die nachfolgende wirklich illustre Liste an Produktkategorien:

ambient sensing, appliances, dynamic lighting, cameras, electric vehicle charging, energy management, home router and access point, robot vacuums, smoke and CO, TVs, and water management

Doch aktuell ist davon noch nichts zu sehen. Und wenn das Update auf Matter 1.2 nicht eher ein Update auf Matter 2.0 wird, dann sieht es finster aus für den Standard. Bislang sind nicht einmal so elementare Dinge wie Video für Kameras, Türklingeln & Co. im Standard verankert.

3. Die großen Hersteller haben kein Interesse (und die kleinen kein Geld)

Stellt Euch vor, Ihr wärt Xiaomi, Samsung oder Bosch und hättet bereits ein recht umfangreiches Smart-Home-Ökosystem am Start. Hättet Ihr dann Lust, dass jedes dahergelaufene Start-Up Eure teuren Lichtschalter durch eine bessere und günstigere Lösung verdrängt? Vermutlich nicht. Leider haben wir hier keine zitierfährigen Aussagen von den Herstellern, aber das Credo in vielen Gesprächen mit den "Großen" war: Wir sind in keiner Position, wo wir den Matter-Standard vorantreiben müssen.

WWDC 2023
Audio & Home auf der WWDC 2023 – seht Ihr hier irgendwo Matter? / © NextPit

Auf der anderen Seite stehen die kleinen Hersteller, beispielsweise das Münchner Unternehmen Eve, das kürzlich von ABB geschluckt wurde. Hier ist zwar der Wille da, und die Firmen setzen teilweise alles auf die Matter-Karte. Doch hier gibt's keine gigantischen Werbebudgets, um den Standard nach vorne zu treiben und letztendlich auch die Großen unter Zugzwang zu setzen. 

Klar bleiben da noch Apple, Amazon und Google, die selbst wenige Smart-Home-Devices herstellen, über die Assistenten aber dennoch fest ins Smart-Home-Ökosystem eingebunden sind. Hier herrschen allerdings gerade wichtigere Themen vor; Stichwort: KI. Auf der WWDC-2023-Keynote erwähnte beispielsweise auch Apple Matter nicht ein einziges Mal.

Was bleibt unterm Strich? Ein Henne-Ei-Problem, in dem die einen nicht wollen beziehungsweise müssen – und die anderen nicht können. 

4. Matter-Zertifizierung aufwändig für kleine Hersteller

Hier kommt auch gleich der nächste Punkt ins Spiel: Wer Matter-Produkte entwickeln will, braucht eine mindestens 7.000 US-Dollar pro Jahr teure CSA-Mitgliedschaft und muss pro Produkt noch einmal etwa 9.000 bis 13.000 Dollar zahlen. Klar sind das Peanuts für Xiaomi & Co., aber für kleine Start-ups ist das ähnlich abschreckend wie die Container-Lotterie.

Hinzu kommt, dass die Hardware für Matter-Produkte aufwändig und nicht leicht zu beschaffen ist. Ein kleiner Smart-Home-Hersteller berichtete gegenüber nextpit, dass man hart kämpfen musste, um überhaupt an ausreichend Chips zu kommen, um in ausreichender Menge Matter-kompatible Produkte ausliefern zu können. Unklar ist auch noch, welche Spezifikationen zukünftige Matter-Versionen haben werden.

Nur zum Vergleich: Für das AOSP-Projekt gibt es weitreichende Spezifikationen im Voraus, welche Systemanforderungen die Updates auf Android 15, 16, 17 und so weiter haben werden. Nur so ist es den Herstellern überhaupt möglich, mehrjährige Update-Garantien zu geben.

Wie geht's weiter?

Unterm Strich bleibt aber trotzdem noch Hoffnung. Wer die Anfänge von Bluetooth miterlebt hat, kennt die Startschwierigkeiten von neuen Standards. Und am Ende tut die CSA womöglich sogar gut daran, mit Matter erst einmal unter dem Radar zu fliegen, bis die technischen Probleme behoben sind. Wie beispielsweise TheVerge berichtet, ist das Setup der Komponenten mit diversen QR-Codes immer noch der Horror.

Und wer möchte schon eine problemschwangeres System an die breite Öffentlichkeit ausrollen? Da ist es besser mit einer kleinen und notorisch Computerfrust-resistenteren Gruppe von Early Adoptern als Beta-Tester den Standard zu polieren und dann erst in die Breite zu gehen. Schließlich hat die CSA mangels Matter-Konkurrenten keinen großen Druck – anders als etwa unter anderem Sony und Panasonic, die vor etwa 20 Jahren den großen Kampf um Blu-ray vs HD-DVD gegen Toshiba & Co. ausfochten.

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Zu den Kommentaren (4)
Stefan Möllenhoff

Stefan Möllenhoff
Head of Content Production

Schreibt seit 2004 über Technik und brennt seither für Smartphones, Fotografie, IoT besonders im Smart Home und AI. Ist außerdem ein Koch-Nerd und backt dreimal wöchentlich Pizza im Ooni Koda 16 – macht zum Ausgleich täglich Sport mit mindestens zwei Fitness-Trackern am Körper und ist überzeugt, dass man fast alles selber bauen kann, inklusive Photovoltaik-Anlage und Powerstation.

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4 Kommentare
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  • Fabien Röhlinger 72
    Fabien Röhlinger
    • Admin
    • Staff
    vor 8 Monaten Link zum Kommentar

    Ich finde es sehr schade - ich hatte große Hoffnungen in Matter. Wir bräuchten aus Verbrauchersicht dringend einen funktionierenden Standard.

    Stefan MöllenhoffMcTweetThomas Oppenheim


  • Clemens C. 22
    Clemens C. vor 8 Monaten Link zum Kommentar

    Ein Standard, der nur einen Bruchteil der Funktionen unterstützt, ist ein Standard, den es nicht braucht.

    Stefan Möllenhoff


  • 25
    Thomas Oppenheim vor 8 Monaten Link zum Kommentar

    Sehr interessanter Artikel, danke dafür!
    Es liegt sicher an mir, aber ich finde den ganzen Kram der Hausautomation viel zu kompliziert. Daher besitze ich auch nur Hue und Fritz und zwei Xiaomi Saugroboter. Und da komme ich bereits an meine Frustgrenze. Wenn ich mir dann vorstelle, wie das zukünftig mit den Updates laufen wird und ich ständig ein Auge auf die Kompatibilität haben muss, wird mir schlecht. Meine Befürchtung ist, dass in diesem Bereich Unmengen von Elektroschrott anfallen wird. Da möchte ich einfach nicht mitmachen.

    Hiro010Stefan MöllenhoffFabien RöhlingerJohanna SchmidtTenten


    • 34
      Tobias G. vor 8 Monaten Link zum Kommentar

      In der Theorie sollten ja zumindest Punkt 1 und 2 Hand in Hand gehen und mit der Zeit das "allumfassende" Etwas werden, damit man eben die Geräte untereinander austauschen kann, wie man lustig ist. Was für mich auch sehr unverständlich ist, ist der geringe Umfang der unterstützten Geräte(-klassen). Es wirkt, als wolle man schnell raus damit, um den Herstellern schon einmal etwas zu bieten. Die Kunden sind glaube ich eher noch nicht gut bedient damit, außer die im Artikel beschriebenen frustfreien Early Adopter. Ich bin sicher, da kommt noch was von Matter, es muss nur erst einmal Fahrt aufnehmen. Im besten Fall wird bei Abwärtskompatibilität kein Elektroschrott produziert.

      Die automatisch existierende Konkurrenz ist - wenn man mal auf andere Standards schaut - vermutlich auf lange Sicht nicht das Problem. Da muss man sich mit Qualität oder Funktionen abheben. Das kann man aber nur, wenn Punkt 1 und 2 mit der Zeit irrelevant werden, weil der Standard flexibel genug ist. Wenn man das mal mit einer ausgereiften Kabel-Variante wie KNX vergleicht, kommt man zu dem Schluss, dass die Hersteller sich eben Mühe geben müssen, um ihre teureren Produkte gegenüber der Konkurrenz zu rechtfertigen. Für den Kunden kann das nur von Vorteil sein. Es braucht nur seine Zeit.

      Wobei ich prinzipiell auch eher kabelgebundene Lösungen bevorzuge. Funk fällt auch mal aus oder verschluckt sich, dann muss man mehrfach "drücken" o.ä.. Passiert zugegebenermaßen selten, aber es passiert, und dann ist es einfach nur ein Nervfaktor. Kann da allerdings nur von Sprachassistenten und einigen Hue-Leuchtmitteln sprechen, der Rest ist tatsächlich seit Jahren ausfalllos verkabelt.

      Stefan Möllenhoff

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